Langweilig geht anders – plattform-Festival am EDT

Ich gehe viel ins Theater, weil ich es liebe. Allerdings geht es mir dabei weniger darum, bestehende Theater-Arten und-Formen bestätigt zu wissen, sondern ich mag mich gern überraschen lassen. Also schmiss ich mich hinein ins plattform)))-Festival zum Thema MUT, 24.-27.02.2016 am EDT am Friedrich-Schütter-Platz. Dass ich meiner Neugier den Vorrang gegeben habe vor anderen herrlichen Dingen, die ich ja auch hätte tun können, freut mich noch immer! Über Jahre fördert und erarbeitet das größte Privattheater Deutschlands diesen unglaublich wichtigen Teil Kultur der Jugendarbeit am Theater. An alle Eltern und Schüler sei gesagt, dass junge Menschen nicht nur nachweislich besser drauf sind, wenn sie ihre Seelen bei Probe und Premiere umkrempeln, sie bereichern damit zukünftig ausnahmslos jeden Bereich der Gesellschaft, indem sie je tätig werden. Sie sind lockerer, toleranter, und ja – was soll’s – auch more sexy. Klingt albern? Och nö.
Das wohl schon 6. Festival umfasste die Arbeit von 6 Jugendclubs in 10 Programmpunkten. Drei davon habe ich gesehen.

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1. Streich – Festivaleröffnung, Mittwoch, 24.02.2016 20:00 Uhr, Hauptbühne:
Nach gewohnt flüssiger Eröffnungsrede der Intendantin mit gefühlt 1001 Namen- keine Ahnung, wie sie das macht! – hieß es Bühne frei für vier Festivalgruppen, die sich mit jeder Faser ihres jungen Seins, so scheint es mir, auseinandergesetzt haben mit dem Thema Mut. Was ist das überhaupt? Wann ist Mut Mut und wann Dummheit? Bin ich das oder werd‘ ich’s nie und kann ich mutig sein auch üben oder gar lernen? Was bedeutet das erste Mal mutig gewesen zu sein für meine Zukunft? Vier Performances, so unterschiedlich wie die Jahreszeiten, die jungen Akteure zeigen sich verletzlich und wirken echt. Die fließend ineinander gehenden, von ihnen erarbeiteten Szenen schaffen mir Assoziationen zu Dingen, die mir außerhalb des Theaters, in der „wirklichen Welt“ begegnen, Tag für Tag, mir fallen Szenen aus meiner Kindheit ein, die ja schon eine Weile zurückliegt, als ich so alt war wie sie, wie dieser wilde Haufen da oben; dieser wilde Haufen, der sie gottlob geblieben sind, denn hier hat sich keiner totinszeniert – wie schön.
Wie bei allen Produktionen am Haus bei einer Vorstellung pro Stück und so auch hier bei der Eröffnung, die Begleitung des Abends durch Gebärdendolmetscher. Und wieder konnte ich mich nicht sattsehen an dieser logischen Grazie. Ich bin kurz davor, einen Kurs zu belegen, so sehr fasziniert mich die kommunikatorische Anmut. Der inklusive Jugendclub rückt als dritte Gruppe erstaunlich offen ins Rampenlicht und zurecht, was sich gesellschaftlich im Bereich der Gehörlosen scheinbar in Schieflage befindet: die Art der Wahrnehmung ihrer Persönlichkeiten im täglichen Leben unserer Gesellschaft. Ja, auch hier rattert etwas in meinem Kopf, sehr angenehm. Wenn man das will. Ja, ich will.
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2. Streich – Protest/Foucault, Donnerstag, 25.02.2016 19:00 Uhr, plattform-Bühne: 
(eine Treppe runter neben dem Bühneneingang des Theaters)
Hier war ich noch nie, was für ein Versäumnis! Hier wirkt sie also, die Gruppe Theatrales Philosophieren. Von allen 10 Performances ist diese hier die einzige, die noch zweimal aufgeführt wird, am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche, den 02.+03.03.2016 um jeweils 19:00 Uhr. Und das sollte keiner verpassen, der irgend kann. Ab in die Katakombe neben dem Bühneneingang, geht allein oder nehmt euch ein paar Freunde mit, auch wenn die sonst keine Lust auf Theater haben. Egal, das passt schon, denn: Ihr werdet’s nicht bereuen. Ich möchte kaum etwas zum Bühnenbild sagen oder zur Inszenierung, besser Kultivierung; denn was immer ich erzähle, könnte eine Vorstellung geben, könnte Euch berechnen lassen, was da passiert, und das wäre schade. Keine Sorge, kein Mitspiel-Theater erwartet euch, ich weiß, das macht richtig Angst, Huuuuuh. Obwohl DAS geht an Info: Schenkt Euch ruhig den Bio-Wein ein, der auf den gedeckten Tischen steht, esst die Oblate auf eurem Teller, denn ihr seid Gäste. Gäste, die eingeladen sind zu vielleicht einer Hochzeit, Trauerfeier, einem Geburtstag oder Schulabschluss. Und bleibt auch zum Gespräch am Ende, es wurden lauter Fragen gestellt und die jungen PhilAkteure gehen in Kontakt und in die Fragen hinein, das war angenehm. Traut euch, denn das ist auch euer Festival zum Thema Mut. Ich habe den Mut und die Ehrlichkeit bewundert und genossen, die ich dort sah, es hat Freude gemacht und  lauter wilde, gute Gedanken. Und Foucault? Ging mir bis dahin am Allerwertesten vorbei. Jetzt will ich ihn lesen, unbedingt.
Also, nochmal: 02.+03.03.2016 um jeweils 19:00 Uhr plattform-Bühne!
Und am 20.-22.03.2016 Protest/Foucault/Luther In der Kulturkirche Altona St. Johannis.
Da geh‘ ich auf jeden Fall hin! Hoffentlich finde ich danach nicht, dass ich die Bibel lesen muss….
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3. Streich – Die Räuber/Jugendgroßprojekt frei nach Schiller, Samstag, 27.02.2016 19:00 Uhr, Hauptbühne
Vorletzter Festival-Akt, bevor die Karaoke-Party im Foyer gezündet wird. Ich bin ein bisschen spät wegen riskanten Parkens und eile am Bühneneingang des Theaters vorbei, wo eine Gruppe Weißgekleideter auf dem Gehweg im Kreis ihre Energie einen, als eine Kollegin wohl
, weil auch in weiß, aus einem Fenster ins Dunkel der Straße grölt: „Sein letzter Seufzer war Amalia!“ Wieder und wieder, klar, die Räuber. Wie ein Rennpferd in der Startbox hängt sie im Fensterrahmen und wiederholt kraftvoll, dramatisch und gutgelaunt, was ich mit Sicherheit noch öfter hören werde an diesem Abend. Mal sehen, was wird. Und es wird – unerwartet, bunt und ja – mutig. Die am Bühneneingang bereits sichtbare Spielfreude setzt sich weiter fort im Rampenlicht und ich habe den Eindruck, der professionelle Rahmen, den das Theater gewährleistet, Licht- und Bühnentechnik, Kostüm, Maske und die vielen Menschen im ausverkauften Haus berauschen sie alle. Sie machen keinen Rückzieher. Franz und Karl Moor, Amalia, sie treten gruppenweise auf: Fünf Amalias, von Jungen gespielt, die gegensätzlichen Brüder von jeweils mehreren (5?) Mädchen, wobei die Karls wertvoll in weiß mit Gold, die Franzen in Schwarz mit verruchtem Flair gewandet sind. Die Maske mutet an Kabuki-Theater an, weißlich mit dunkel ausgepuderten Augenwinkeln und starken Augenbrauen.  Ausgewählte, schlüsselhafte Szenen aus Schillers Riesenhit sind hier glaubhaft in junge Glieder gefahren. Viele Texte werden im Chor gesprochen, was viel Kraft freisetzt, allerdings auch den detaillierten und differenzierten Ausdruck der jeweiligen Figur erschwert. Ich kenne das Stück gut, daher stört mich das Fehlen mancher Facette nicht, ist dies doch eine Auseinandersetzung frei nach Schiller. Ohne Welpenbonus für Jugendtheater wünschte ich der Inszenierung darüber hinaus mehr Aufmerksamkeit und Raum für den Vater der Brüder, der meiner Meinung nach als Figur etwas zu kurz kommt. Noch ein sprachlicher Punkt, dann bin ich wieder glücklich, ist „Ärde“ statt „Erde“, „wärde“ statt „werde“. Fällt wahrscheinlich kaum jemandem auf und sollte auch nicht ablenken von dem Gesamteindruck, der – im Wechsel mit vier andersartig darstellenden Gruppen – Tanz, Performance, Bildende Kunst, Musik – einen überaus inspirierenden Abend geschmettert haben. Und diese überbordende Kraft und Spiellust, dieses Jetzt-oder-nie-Gefühl dieser Masse an jungen Menschen auf einer Bühne, die sie nicht jeden Tag betreten und wer weiß, wann wieder ausverkauft, trägt seinen euphorischen Teil dazu bei, so lange zu klatschen, bis die glühenden, glücklichen Gesichter sich wieder und wieder zeigen, denn sie wissen – ich sehe es – sie haben ihre Sache gut gemacht. Mut bewiesen. Das kann ihnen keiner mehr nehmen. Amen.

Stay tuned, eure Karime.

Eishockey, Eva & Amsterdam 1944

LogBuch Samstag, 20. Februar 2016
Ich hatte mich verpflichtet, beim PlayOff-Spiel der HSV Regionalliga Nord die gegnerische Strafbank zu betreuen – Tür auf, Delinquent mit eindrucksvollem Trikot-Odeur rein – rumpel, rumms, fluch, setzen. Nach meist 2 Minuten den adrenalinsüchtigen Wildfang wieder plopp! (der Spieler) und rumms! (das war die Tür) aufs Eis in die Freiheit entlassen. Ich liebe Eishockey hautnah, muss allerdings dieses Thriller-Spiel nach dem 2. Drittel verlassen und ersetzt werden, denn ich muss los ins Abaton-Kino. Der Instinkt hat mich getrieben; eine Eva soundso liest aus einem Buch, Markus Lanz moderiert, dann gibt’s noch eine Doku, irgendwas mit Asyl, ach ja – No Asylum, Briefe von Otto Frank. WAS? Otto Frank, der Vater Anne Franks. Instinkt an Gehirn: Da will ich hin. Wie so oft stolpere einfach drauf zu, oft eine verdammt gute Idee….und stolpern kann ich gut. Sicherheitshalber hatte ich mir am Tag zuvor eine Karte reserviert, was nach Aussage der Telefon-Lady nicht nötig war, weil der Andrang derzeit nicht groß sei – unglaublich, wie desinteressiert die Menschen so sind, denke ich. Also locker Zeit, Parkplatz krieg ich immer. Als ich beim Kino ankomme, werde ich schmerzlich eines Besseren belehrt. Ich habe die Rechnung ohne 3nach9 gemacht, wo die Autorin am Vorabend zu Gast war. Menschentrauben drängen und wabern nun um und in den Eingang, der völlig verstopft ist, an einen Parkplatz ist nicht mehr zu denken. Kurz vor Veranstaltungsbeginn ziehe ich noch immer verzweifelt Kreise, meine Karte ist dabei zu verfallen, weil ich sie nicht rechtzeitig abholen kann. Gleich wird irgendeiner von den „massenhaft Desinteressierten“ meine Karte bekommen! Ich hole schon Luft um – was ich mir höchst selten gestatte – zu fluchen wie ein Müllkutscher, dann endlich – ja! – ein winziges Plätzchen, halblegal, für das kleine Auto. Schnell raus, Sprint zum Kino, bitte, lass‘ es nicht zu spät sein. Ich hechte vorbei an den Menschen, die am Abholschalter stehen und spreche einen Herren an, er möge doch bitte bitte meine Karte mit abholen, ja? Er zeigt auf seine Frau, sie sagt mit unverständlichem Nachdruck „ich bin seine Frau!“, ich bitte sie nochmals und verkneife mir die beruhigende Bemerkung, dass ich nur die Karte, nicht aber ihren Mann wolle. Ja, es ist noch da, mein Ticket  für eine Lesung mit Doku, Briefen von Otto Frank, Eva, ja was. IMG_1584
Befriedet lasse ich mich in einen der herrlich roten Sessel im Kinosaal fallen. Angekommen. Es geht los.
Sie heißt Eva Schloss, das werde ich nun nicht mehr vergessen. Sie spricht mit einem leichten von-allem-etwas-Akzent/Dialekt, ich höre ein wenig Wien, Holland, ein bisschen auch London vielleicht, wo sie schon längst lebt, diese 86jährige Lady. Sie liest Passagen aus ihrem neuen Buch Amsterdam, 11. Mai 1944 (ich werd’s lesen und berichten!). Zwischen den einzelnen Passagen spricht sie über damals. Herr Lanz lässt sich nicht lumpen, er macht das versiert und ganz fein.
Ich sehe nur sie.
Da sitzt sie: Aufgeräumt, gut gelaunt, auch bewegt, so ehrlich, so klar, nimmt kein Blatt vor den Mund. Einfach eine süße Frau, ganz wunderbar, ich gewinne sie lieb, das geht ganz schnell. Kein Mitleid, sondern Mitgefühl im reinsten Sinn, das empfinde nicht nur ich. Neben mir ein Paar, das sich immer wieder Tränen aus den Augen wischt. Wie ich. Wie viele andere. Es sind „gute“ Tränen, weil wir fühlen und verstehen. Das macht diese kleine, zarte Frau da oben. Nachdem sie den letzten Abschnitt aus ihrem Buch gelesen hat, ist Ruhe im Saal. Stille. Als ich wieder denkfähig bin, ist die Fragerunde längst durch. Ich versäume auch das Kaufen des Buches, will sie lieber weiter ansehen, diese Brücke hin zu einem Verständnis über eine Katastrophe, zu der ich und die nachfolgenden Generationen kaum Zugang haben. Aber ich, wir, haben jetzt Eva. Im Geiste duze ich sie.

Nach kurzer Signierpause geht es sofort weiter mit der Dokumentation No Asylum der Regisseurin und Produzentin Paula Fouce über die vor wenigen Jahren entdeckten, schriftlichen Versuche Otto Franks, seine Familie 1940 in die U.S.A. außer Landes und in Sicherheit zu bringen – vergebens, wie wir wissen. Zeitzeugen kommen zu Wort, unter ihnen auch Eva Schloss, und schließen viele Lücken darüber, was vor und nach der Deportation mit den Familien Frank und Schloss geschehen ist. Zum ersten Mal sehe und höre ich Otto Frank. Rechts von mir, ein paar Sitze weiter, sitzt Eva Schloss. Bei einigen Szenen verdeckt sie die Augen. Das kennt sie und muss es nicht mehr sehen.
Sie war da, in Amsterdam, nach dem Verrat im KZ Auschwitz-Birkenau, sie hat überlebt. Jeder, der das überlebt hat, wird mir wieder einmal klar, hat ein Wunder erlebt. Der Film lässt uns zurück mit der Frage, welche Lösung es gibt für die Gewissheit, dass so ein perfider Massenmord, auch unsinnige Ablehnung von Asylbegehren, schlicht Unmenschliches in jeder Art verhindert werden kann.
Ehrlich, die Antwort ist einfach: Verstehen wollen.
Wenn ich verstehen will, komme ich der Gewissheit ziemlich nahe, das ist der einzige Weg. Wenn ich verstehen will, interessieren mich auch die entsprechenden Filme, Bücher (ich werde berichten!), die nicht den Zeigefinger heben, sondern mit mir sprechen, mich an Zusammenhänge heranführen, zu einem Wissen, dass ich nicht habe, und die genau dies auch wissen und mich an die Hand nehmen. Denn ist der Schüler bereit, erscheint der Meister…
Obwohl die Veranstaltung nun wirklich vorbei ist, drücke ich mich noch ein wenig herum. Dann gibt es für mich noch einen kleinen, kostbaren Moment. Ich frage Eva Schloss, wo sie sich nach all den Jahren beheimatet fühlt. Pause. Dann antwortet sie mir. „Ich fühle mich eigentlich nirgendwo zuhause.“ Ja, das kann ich verstehen.
Ich nehme ihre Hand, will sie drücken, doch dann – dann küsse ich sie. Und Eva, Eva lacht.
Stay tuned, und:
Schaut, wo Ihr den Film zufassen bekommt, ich glaube fast, er hat keinen Verleih, sonst kann man bestimmt die DVD kaufen, das lohnt sich.
P.S.: Oh, ich erfahre grad, hat doch einen Verleih – Roco Film.
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Ich glotz TV: „Der Fall Barschel“

FAZ, Die Zeit, STERN, Süddeutsche – die Großen haben längst alles gesagt, gefragt und geantwortet zum Thema dieses 3-stündigen Monumental-Fernsehfilms. VOR der Ausstrahlung gestern Abend zur ARD Primetime.
Und all diese Artikel habe ich auch gelesen. Allerdings erst letzte Nacht…

Längst ohne Fernseher, speichere ich Seiten mit für mich relevantem Inhalt auf FaceBook, so auch die Seite von Schauspieler Alexander Fehling. Sein Post über ein Interview zur Produktion „Der Fall Barschel“, indem er die Hauptrolle spielt, ließ mich aufhorchen und mir war klar – ich muss fernsehen. An einem Samstag Abend!! Hätte nicht gedacht, dass mir das nochmal passiert.
Im ARD Live-Stream mit Kopfhörern auf meinem iPad; 3 Stunden, keine Werbung.
Und dann war ich weg. Total. Parallel-Universum. Was ist passiert?
Ich habe das absolut Beste gesehen, was mir die Öffis je geboten haben.
Und weil ich so überwältigt, so aufgewühlt war und nicht schlafen und niemanden anrufen konnte – nicht wegen Fernsehen, mir gings ja gut! – habe ich also fiebrig das Netz durchpflügt nach mehr, mehr, mehr über dieses brisante Filmepos; mein leidenschaftlicher Geist brauchte einen Hafen für den losen Anker, der er nun war. Ich war erschüttert.

Regisseur Kilian Riedhof hat mit Marco Wiersch ein so dichtes und kluges Skript geschrieben, das es schafft, den Strudel der Ereignisse, in den Uwe Barschel geraten zu sein sehr deutlich scheint, auf die Hauptfigur David Burger zu übersetzen, wodurch mir die ganze emotionale Bandbreite des Falls durch das Erleben von Alexander – äh, dem fiktiven Jouralisten David Burger (Mist, wenn Schauspieler zu gut sind) so klar wurde, dass ich als ein einziges Verstehen zurückbleibe. Wusste nicht, dass ich so etwas fühlen kann. Jetzt schon.
Was für ein Regisseur (wundert mich nicht, dass er auch HOMEVIDEO gemacht hat), der wirklich alle Schauspieler auf eine Weise führen kann, dass sie so vollkommen aufeinander reagieren. Edgar Selge als Chefredakteur hat mich fast zum Weinen gebracht. Ich war dabei, konnte die Qual von David Burger (AF) physisch spüren. Die Niedertracht des Umfelds, die Gnadenlosigkeit, die langsam um ihn herum immer weiter sich anschleichende Angst, dem nicht mehr gewachsen zu sein, war MEINE Angst.

Alexander Fehling mit seiner knackig-klaren Sprache, die schon allein rattenfängerisch wirkt, tritt in keine einzige Falle einer solch großen Rolle, und Fallen gibt es viele, denn er ist ja wirklich ein richtig schöner Mann und das kann schwer werden, wenn der Regisseur diese Karte spielt. Aber er darf klar bleiben, ist ehrlich in wirklich jeder Gefühlslage, ich glaube ihm alles. Ich hätte es wissen müssen nach „Wir wollten aufs Meer“, „Wer wenn nicht wir“ oder „Goethe!“ – he’s a decent genius…
Und die Produzentin Ariane Krampe, ja die könnte ich glatt küssen- virtuos, die ganze Produktion.
Egal, was Ihr am Samstag, den 13.02.2016 um 20:15 Uhr vorhabt – absagen:
Im ARD EinsFestival kommt er noch einmal, „Der Fall Barschel“.
Stay tuned, Eure Karime
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„Die Opferung des Gorge Mastromas“ Gegenkritik versus „Die WELT“

It’s been a while….aber das kommt wann anders, denn jetzt liegt mir was im Magen.
Selten ärgere ich mich so sehr, aber das geht zu weit und muss nun doch raus:

Tatort:  Ernst-Deutsch-Theater, Hamburg
Tatzeit:  21.01.2016 zwischen 19:30 und 21:30 Uhr
Opfer:  Premiere „Die Opferung des Gorge Mastromas“ von Dennis Kelly
Dringend tatverdächtig:  Redakteur/in der renommierten Tageszeitung „Die Welt“ namens „MN“ mit einer sogenannten Kritik, erschienen am 23.01.2016.
Tathergang (soweit mir bekannt):  Auch ich saß an diesem 21. Januar im gewohnt vollbesetzten Haus am Friedrich-Schütter-Platz. Ganz gegen meine Gewohnheit begab ich mich diesmal ohne blassen Schimmer über irgendetwas in mein liebstes Parallel-Universum – ins Theater. Keine Ahnung von Autor und Stück – manchmal ganz wunderbar – lasse ich mich in die erste Reihe fallen. Vorhang auf und los.
Im brutal kühlen Licht von Rolf Spahn breitet Regisseur Peter Lotschak mit smartem Ensemble schlank die Geschichte von Gorge Mastromas vor mir aus, der, satt von braver Mittelmäßigkeit, immer wieder eine Entscheidung trifft, die ihn zügig nach oben, aber auch immer weiter von sich selbst wegtreibt. Die Dialoge sind rasant wie der von Gorge erstrebte Aufstieg, straff zieht etwas weiter, was sich irgendwann verselbstständigt und nicht mehr steuern lässt. Kein Emotionstheater, sondern konsequent in seiner Unaufhaltsamkeit. Am Ende bleibe ich betroffen zurück, habe aber Raum genug für meine eigenen Gedanken hierzu, ich fühle mich nicht indoktriniert, was leicht passiert bei einem Stück über schleichende Entmenschlichung durch Private Equity im Neoliberalismus, wenn der Regisseur nicht aufpasst. Was er hier definitiv getan hat. Und so hat das Ensemble nicht draufgehauen, sondern sich auf die Sprache, das Stück und  – aufeinander verlassen. Ein Stück, das atmet und mich braucht als fühlenden Menschen, ohne Frage unkonventionell mit nur marginalen Schwächen, modern im besten Sinn.
So.
Und nun kommt MN mit diesem Artikel in „Die Welt“.
Ich würde es ja gern Verriss nennen, so etwas kommt vor, berechtigt mitunter, das belebt und beflügelt eine Diskussion, die hoffentlich genau in dieses Theater führt, aber leider – nichts zu machen, Frau N! Ich kenne Sie nicht, aber jeder einzelne Satz in Ihrem Artikel lässt mich glauben, dass Sie einfach, ja – keinen Bock hatten, deshalb natürlich nicht zugehört haben, schon lange satt sind und das Theater nur noch verbittert betrachten, wenn nicht gar abgrundtief hassen und völlig enge Denkkammern keinen Platz mehr haben für ein Heute. Für mich ein Fall von Job schlecht erledigt. Ja, auch das das kommt vor, man ist nicht immer gut, wie Sie sicher wissen und manches Mal auf einer Bühne erlebt haben. Nur frage ich mich, wofür diese Abschlachtung – ja, das trifft es am ehesten. Abschlachtung nach ausgiebiger Beleidigung und Demütigung aller Beteiligten. So heißt dies Stück des mehrfach preisgekrönten Engländers im Original passenderweise auch The Ritual Slaughter of Gorge Mastromas. Bei Ihnen freilich ohne Ritual, sondern nur blindlings. Und mit Verlaub wirklich schlecht, obwohl Sie reichlich fundiert erworbene Fachbegriffe zum Besten geben, die den Anschein erwecken sollen, Sie wüssten richtig gut Bescheid. Hier mitnichten.
Eine Theaterkritik? Ganz sicher nicht, Frau Monika Nellissen (jetzt weiß ich’s). Ich verzichte hier absichtlich auf Zitate, weil ich platte Gemeinheiten zu wiederholen mir schon lange abgewöhnt habe. Schlechtes sollte nicht weitergegeben werden, ist nicht gut fürs Karma. Kritisches dagegen schon und ich frage mich grad, ob ich Ihnen verzeihen soll, einem Theater so boshaft schädigen zu wollen und dafür noch entlohnt zu werden.
Ja. Ich denke schon, denn:
Jeder ist mal grottenschlecht, ich vergebe Ihnen, allerdings – hat das eine Chefredaktion wirklich gecheckt und für gut befunden oder wie läuft das so? Da muss ich mal fragen….

Schluss jetzt. Freunde! ab ins Theater! „Die Opferung des Gorge Mastromas“ läuft noch bis 21.02.2016. Dann sagt mal Bescheid…..aber ja, ich liebe Euch auch.
A bientôt (ich kann gar kein Französisch),
Eure Karime

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Smartes Ensemble – von links: Wanda Perdelwitz, Christian Meyer, Julian Mehne (Gorge), Jörg Seyer, Markus Knüfken.